Obama kündigt Rückzug aus Irak an

US-Präsident erklärt den Krieg ein weiteres Mal für beendet

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Alle 40 000 US-Soldaten, die noch in Irak stationiert sind, sollen »bis Weihnachten zu Hause sein«. Das verkündete Präsident Barack Obama am Freitag in Washington nach einem Telefongespräch mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki.

Wie er es versprochen habe, werde »Amerikas Krieg in Irak nach fast neun Jahren beendet sein«, erklärte Barack Obama. Die letzten US-amerikanischen Soldaten könnten die irakische Grenze »erhobenen Hauptes« überschreiten. Nach einem Jahrzehnt der Kriege sei es die eigene Nation, die man aufbauen müsse und werde. Die USA müssten ihre Wirtschaft ebenso stärken, wie sie ihren Führungsanspruch weltweit gestärkt hätten.

Den Abzugstermin Ende 2011 hatte ursprünglich bereits Obamas republikanischer Amtsvorgänger George W. Bush mit der irakischen Regierung vereinbart. Obama dagegen war ursprünglich bereit, über das Jahresende hinaus mehrere Tausend Soldaten zur Unterstützung der irakischen Armee im Lande zu belassen. Die USA hatten darüber monatelang mit der Führung in Bagdad verhandelt. Eine Vereinbarung scheiterte schließlich daran, dass Nuri al-Maliki bei seinen einheimischen Kritikern keine juristische Immunität für die verbleibenden US-amerikanischen Soldaten durchsetzen konnte. Straffreiheit war jedoch Washingtons Bedingung. Offiziell soll nun lediglich ein kleines Kontingent von etwa 160 Marineinfanteristen vor allem zum Schutz der diplomatischen Vertretungen in Irak verbleiben.

Dem Botschafter der USA in Bagdad unterstehen allerdings nicht weniger als 16 000 Mitarbeiter. So groß ist eine US-amerikanische Division. Rund 80 Prozent dieser Botschaftsdivision werden Arbeitskräfte von Subunternehmen sein, darunter 5000, die fürs Putzen und Kochen zuständig sind. Zum Schutz des Botschaftspersonals, von US-Unternehmern und Ausbildern in Irak werden bewaffnete Söldner angeheuert. Neben der Botschaft sollen sie zwei Konsulate, Versorgungseinrichtungen und drei Polizeiausbildungslager schützen. Die Botschaft wird über eine eigene Fluglinie und eigene Krankenhäuser verfügen.

Die Ankündigung des Truppenrückzugs aus Irak ist auch vor dem Hintergrund des Präsidentschaftswahlkampfes 2012 zu sehen. Obama hatte die Kriege in Irak und in Afghanistan von seinem Vorgänger Bush geerbt. Bei seinem Amtsantritt im Januar 2009 waren in den zwei Staaten mehr als 180 000 US-Soldaten im Einsatz. Der frisch gewählte Präsident versprach sie zurückzuholen. Während er bei seinen Demokraten Zustimmung für seine jüngste Ankündigung erntete, kritisierten die sonst heftig zerstrittenen republikanischen Präsidentschaftsbewerber die Rückzugsabsicht heftig. Sie warfen dem Präsidenten Opportunismus und verantwortungsloses Handeln vor.

Iraks Premier Nuri al-Maliki sah jedoch eine »historische Chance« für sein Volk aufziehen. Der Abzug der US-amerikanischen Truppen nehme terroristischen Gruppen im Lande jede Rechfertigung.

Insgesamt hatten die US-Regierungen seit 2003 mehr als eine Million Soldaten nach Irak geschickt. 4482 wurden getötet, die Zahl der Kriegsversehrten liegt offiziell bei 32 200. Die Iraker bezahlten den US-Krieg mit mehr als einer Million Toten, einer verwüsteten Infrastruktur und einer zerstörten Gesellschaft. Mehr als vier Millionen Iraker mussten fliehen, darunter Tausende hoch qualifizierter Wissenschaftler, Ärzte und Professoren. Heute herrscht in Irak eine der korruptesten Regierungen weltweit.

Einen Tag vor der Erklärung Obamas war als erster der 18-US-Stützpunkte Camp Speicher im Norden Iraks geschlossen worden. Während sich die dort stationierte Division Nord zum Abzug bereit machte, unternahm NATO-Partner Türkei aus der Luft und am Boden eine Großoffensive gegen mutmaßliche Rückzugsbasen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im nordirakischen Kandil-Gebirge. Ein deutlicheres Signal der Billigung dieses Feldzugs durch die USA konnte sich Ankara kaum wünschen.

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